The Ivy Years: Bevor wir fallen. Sarina Bowen

Wenn mir jemand sagen würde, ich wäre bald querschnittsgelähmt – ganz ehrlich, ich würde durchdrehen. Wahrscheinlich würde ich versuchen von hier nach New York zu rennen. Okay, das ist nicht möglich, weil da noch so ein Ozean dazwischen liegt. Aber ich würde versuchen weg zu laufen – und zwar so weit es geht. Ich würde klettern, tanzen so viel es geht, radeln. Es gäbe so vieles, das ich vermissen würde.

Krücken und andere Hindernisse

Corey Callahan würde vermutlich aufs Eis gehen, denn sie spielt Hockey für ihr Leben gern. Oder vielleicht muss ich sagen spielte? Corey musste ihre Schlittschuhe gegen zwei Räder eintauschen. Doch Corey fackelt nicht lange. Trotz des alles verändernden Unfalls beginnt sie ihr Studium am Harkness-College, an dem auch ihr Bruder studiert hat. Die 300 Jahre alten Gebäude sind nicht gerade ideale Voraussetzungen für jemanden, der mit Treppen mehr oder weniger auf Kriegsfuß steht.

»Ohne meine Gehhilfen oder den Rollstuhl war ich so mobil wie eine Topfpflanze.«

Einen Vorteil hat das Ganze dann aber doch. Denn Corey wird im McHerrin House, wo es barrierefreie Zimmer gibt, untergebracht. Ihr Glück, dass der Eishockey-Spieler Adam Hartley sich einen doppelten Beinbruch zugezogen hat und im Zimmer gegenüber wohnt. Hartley sieht nicht nur unverschämt gut aus, sondern ist auch der Einzige, der sie ganz normal behandelt. Kein Wunder, dass Corey´s Herz sich sofort an Hartley verliert. Doch bereits am Tag ihrer Ankunft wird Corey klar, dass ihre Chancen gleich Null sind. Denn Hartley´s Zimmer ist nicht nur barrierefrei, es beherbergt auch seine Freundin, die von elfengleicher Schönheit ist und nicht im Rollstuhl sitzt.

Geblümtes Cover vor schmiedeeisernem Zaun auf alten Backsteinen

Selbstverständliche Dinge

Mit Corey´s Geschichte konfrontiert zu werden tut gut, auch wenn es hart ist. Wenn man zwei Beine hat, die einen von A nach B tragen, dann ist das eben so. Die sind nun mal da. Vielleicht beschwert man sich sogar manchmal, dass sie weh tun oder dass man so weit laufen muss. Allerdings nur bis zudem Tag, an dem man plötzlich nicht mehr die Wahl hat. Seit ihrem Unfall denkt Corey viel über die Bedeutung von vielen Dingen nach als zuvor. Warum sollte man auch vorher darüber nachdenken? Man erwartet so etwas schließlich nicht.

Corey hat von nun an mit alltäglichen Angelegenheiten zu kämpfen. In welchem Stock findet die Party statt, wo kann ich meine Katheter trocknen und was funktioniert sonst noch bei mir nicht so wie es sollte (Stichwort: Der verrückteste Abend aller Zeiten – mehr kann ich leider nicht verraten)? Darüber will sich nun wirklich niemand Gedanken machen müssen. Aber viel schlimmer ist, dass alle nur das »Mädchen im Rollstuhl« in ihr sehen. Ich finde es bewundernswert, dass sie trotzdem ihren Weg geht, sich nicht davon abhalten lässt das College zu besuchen. Doch auch Corey hat ihre guten und ihre schlechten Tage. Tage an denen sie sich gerne im Selbstmitleid suhlt.

»Jeder hat sein Päckchen zu tragen, Callahan. Jeder.« Er drückte meine Hand und ließ sie dann los. »Bloß, dass deins für jeden offen erkennbar ist, und darum beneide ich dich nicht. Aber jeder hat seine Probleme, ob man sie nun sieht oder nicht.«

Ich finde, Hartley hat diese Situation in die besten Worte gekleidet, die man dafür nur wählen kann. Hartley hilft Corey im wahrsten Sinne des Wortes auf die Beine. Er sieht sie nicht als das »Mädchen im Rollstuhl«. Sie sind Zimmernachbarn, Leidensgenossen und vereint in ihrer Liebe für Eishockey. Zwar ist Hartley´s Behinderung nur temporär, doch kann er sich deswegen nur allzu gut in Corey´s Lage hineinversetzen. Ihm ist nichts peinlich. Das liebe ich an Hartley. Er nennt das Kind beim Namen, und das tut unglaublich gut. Nicht nur Corey, sondern auch dem Leser. Doch Corey schleppt nicht nur ihr eigenes »Päckchen«, denn auch ihre Eltern haben sich seit dem Unfall verändert. Vor allem ihr Vater und damit auch ehemaliger Trainer gefällt ihr gar nicht.

»Meine äußerst sparsamen Eltern hatten seit meinem Unfall haufenweise Geld ausgegeben.«

Von Töpfen und Deckeln

Corey fühlte sich vom ersten Moment an von Hartley angezogen, und mir wäre es sicher nicht anders gegangen. Doch weitaus seltener als sein gutes Aussehen, ist sein Charakter. Was mich allerdings genauso stören würde wie Corey, wäre seine Freundin Stacia. Noch dazu passt sie so gar nicht zu dem Bild, was Hartley sonst so vermittelt. Sie ist unsagbar reich, liebt Designer-Klamotten vermutlich mehr als Hartley, und Corey scheint für sie unsichtbar zu sein.

»So vieles an Stacia war mit Bedacht darauf ausgerichtet, ein bestimmtes Bild wiederzugeben – ihre Haarfarbe, ihre Unterwäsche, ihre Stimme.«

Corey´s innere Zerrissenheit ist so authentisch dargestellt, man kann sich so gut damit identifizieren. Ich war fast genauso sauer auf ihn wie Corey.

»Immer wieder schoss mir das Wort ›Lähmung‹ durch den Kopf. Sein Herz glich offenbar meinen gefühllosen Zehen.«

Aber Hartley kann man nicht lange böse sein. Er ist eine ehrliche Haut, und ich liebe es, dass ihm nichts peinlich ist. Dass er das Kind beim Namen nennt. Bringt mir einen Hartley, und ich heirate ihn vom Fleck weg.

Einen weiteren kleinen Bonus bietet Corey´s Hoffnungsfee. Sie begleitet sie überall hin, auch wenn sie nicht wirklich existiert. Jeder von uns hat so eine innere Stimme, aber nur Corey´s innere Stimme hat eine so zauberhafte Gestalt angenommen. Vor allem setzt Sarina Bowen damit perfekt den Grundsatz um, nicht wörtlich zu beschreiben, dass dieser Charakter voller Hoffnung ist. Denn schließlich übernimmt die kleine Hoffnungsfee die Rolle, dieses Gefühl in unsere Köpfe zu zaubern, so dass es gar nicht mehr vieler Worte bedarf – eine zauberhafte Idee.

»Mein Herz machte einen überraschten Satz, und wie aus dem Nichts tauchte meine Hoffnungsfee auf. Geh ran! Die Fee trug ein Glitzerkleid. Weil Silvester war.«

In meinem absoluten Lieblingsbuch wechselt jedes Kapitel die Perspektive zwischen den beiden Hauptcharakteren hin und her. Ich gebe zu, dass es anfangs ein wenig verwirrend sein kann. Aber glaubt mir, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, wird es die beste Leseerfahrung, die ihr jemals gemacht habt. Ihr hört heraus, dass ich ein ganz großer Fan dieser Art des Schreibens bin. Doch Sarina Bowen hat auch hier noch mal einen drauf gesetzt: Denn sie wechselt nicht von Kapitel zu Kapitel zwischen Hartley und Corey, sondern immer dann, wenn es die Geschichte erlaubt oder sogar verlangt. Ich liebe es in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Wer kommt mit mir?

Aber hey, verliebt euch nicht zu sehr in Corey und Hartley. Je mehr sich das Buch dem Ende zuneigte, desto mehr begann ich mich zu frage, wie Sarina Bowen dazu wohl einen zweiten und dritten Teil schreiben wollte. Umso enttäuschter war ich, als ich entdeckte, dass sich die nächsten Bände um andere Pärchen am Harkness-College handeln würden.

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LYX VERLAG

PAPERBACK
NEW ADULT
311  SEITEN
ALTERSEMPFEHLUNG: AB 16 JAHREN
ERSTERSCHEINUNG: 29.03.2018

12,90 € inkl. MwSt.

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Für Fans sind die weiteren Teile »The Ivy Years: Was wir verbergen« und »The Ivy Years: Solange wir schweigen« ein unbedingtes Muss!

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Schaut auch bei meiner letzten Rezension über »Close to you« von Isabell May und meiner Reportage über »Disney on Ice« vorbei!!!

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