Das Antiquariat der Träume | Lars Simon


»›Mein Leben erscheint mir wie ein ständiger Zeitvertreib, ich weiß nur nicht, was kommt, wenn ich die Zeit erfolgreich vertrieben habe.‹«
(S. 27)

Ich hatte mir dem Titel nach das Buch irgendwie ganz anders vorgestellt, als es letztendlich war. Es erschien mir ein bisschen wie eine literarische Reise, auf der bekannte Charaktere auftreten. Johan erscheinen sie als Freunde und geben ihm Ratschläge. Aber das kann man doch keinem erzählen, oder? Schließlich würden einen dann alle für verrückt halten. Oder ist man vielleicht wirklich verrückt, wenn man sich mit Trugbildern unterhält?

»›Was soll ich dir denn erzählen? Ich weiß doch nicht mehr als du selbst. Ich kann dir nur sagen, was du nicht erkennst, obwohl du es weißt.‹« (S. 261)

Dieses seltsame Auftreten von Figuren aus Johans Lieblingsbüchern oder eben Büchern, die ihn besonders geprägt haben, ist eng verknüpft mit den schrecklichen Ereignissen, die sich vor einigen Jahren auf einer Kreuzfahrt zugetragen hatten. Der Kreuzfahrt, auf der ein Sturm aufzog und seine große Liebe Lina Berglund mit sich fortwehte. Doch Lina wurde nie gefunden. Und auch Johans Nachforschungen unter diesem Namen liefern nichts Brauchbares. Doch Johan gibt nicht auf, er kann einfach nicht…

»›Denn es sind stets die Perspektive und der Blickwinkel, die über die Realität entscheiden, nicht das Ding als solches, losgelöst von seiner Umgebung und dem Betrachter. (…) ob etwas existiert oder nicht, entscheidet schließlich Ihr ganz alleine, wie wir beide wissen, nicht wahr?‹« (S. 76)

DTV-VERLAG

HARDCOVER
ALLGEMEINE BELLETRISTIK
320 SEITEN
ERSTERSCHEINUNG: 22.05.2020
12,00 €

Anfangs war ich ein wenig verwirrt von den Übergängen von Kapitel zu Kapitel. Bis ich herausfand, dass über jedem Kapitel Daten stehen. Das bedeutet, es sind im ersten Teil Zeitsprünge zwischen den verschiedenen Kapiteln eingebaut. Wenn man das weiß, kann man natürlich besser damit umgehen. Das ist auf jeden Fall eine sehr interessante Weise ein Buch aufzubauen. Ähnlich wie bei einem Puzzle. Interessant, aber teilweise auch anstrengend. Man gewöhnt sich aber, wie ich finde, daran. Man muss sich eben nur darauf einlassen.

»Das Gesicht des Pfarrers von Hedekas hatte bereits vor längerer Zeit beschlossen, sich an einigen exponierten Stellen der Farbe von dessen Lieblingsgetränk anzugleichen. Spätestens ab dem dritten Glas Rotwein verhielt es sich beinahe wie eine Art Promille-Chamäleon.« (S. 67)

Man hat zeitweise das Gefühl nicht nur ein Buch zu lesen. Das liegt besonders an Johans Freunden, wie er sie nennt. Ich persönlich bin nämlich nicht direkt darauf gekommen, dass es sich um Traumgestalten handelt. Aber auch für den Leser ist es schön, bekannten Figuren mal wieder zu begegnen. Diese Figuren und ihre Bücher aus einem ganz anderen Blickwinkel zu sehen als beim ersten Lesen, wie zum Beispiel damals als man in der Schule ›Die Verwandlung‹ von Kafka gelesen hat.

»›Nun,Menschen, die keine Bücher lieben, werden niemals Tiere verstehen, und Menschen, die überhaupt nicht lieben, werden niemals Bücher verstehen.«‹ (S. 216)

Aber auch die Kulisse hat mich in ihren Bann gezogen. Ein Hof in einem kleinen Dorf in Schweden mit einer zu einem Buch-Antiquariat umgebauten Scheune mit angrenzendem Literaturcafé. Wie gerne würde ich diesen Hof einmal besuchen, existierte er tatsächlich.

»Johan verstand nur die Hälfte von dem, was dieser Antiquar an wirrem Zeug daher zu faseln schien.« (S. 244) Ein bisschen erging es mir mit dem ganzen Buch genauso.  Dennoch wollte ich wissen, wie alles zusammenhängt.

»›Ich glaube, manche Bücher sind magisch, und Sie verkaufen in Ihrem Antiquariat viel mehr als nur Bücher. Sie verschenken Träume.‹« (S. 248)

Ich habe das Buch soeben beendet und bin jetzt froh, dass ich es doch bis zum Ende gelesen habe. Zwischenzeitlich war ich nämlich einfach nur verwirrt und mir nicht ganz sicher, was mir das Buch sagen wollte. Nun glaube ich, es wollte mir sagen, dass man manchmal in sich hineinhorchen muss. Auf die innere Stimme in sich hören muss, auch wenn es einem manchmal noch so verrückt erscheint. Dass man für die Sachen kämpfen sollte, die einem wichtig sind – auch wenn es für Außenstehende noch so sinnlos erscheint. Am Ende ist es nur wichtig, dass man mit sich selbst im Reinen ist. Und vielleicht auch, dass man sich manchmal durch ein Buch ein wenig kämpfen muss, um zu erkennen, was man daran hat.

Was denkst du?